Heinrich-Böll-Stiftung

Stipendiat Till Mahler der Heinrich-Böll-Stiftung Name: Till Antonio Mahler         
Alter: 25 Jahre
Studiengang: International Business Management
Semester: 10. Semester
Auslandssemester: zwei Semester in China, ein Semester in Athen
Hochschule: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Stiftung: Heinrich-Böll-Stiftung
(Die Stiftung steht dem Bündnis 90/Die Grünen nah.)

Logo der Heinrich-Böll-Stiftung

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei der Heinrich-Böll-Stiftung zu bewerben?
Direkt nach dem Abitur war ich mir noch sehr unsicher, in welche Richtung es einmal gehen soll. Ich stand erst einmal relativ ratlos vor dem riesigen Studienfach-Dschungel mit all seinen Wegen und Möglichkeiten. Während eines FSJ in Kolumbien habe ich mich dann intensiv mit interessanten Studiengängen auseinandergesetzt, habe mich gleichzeitig über alle anderen möglichen Aspekte des Studierens informiert und bin so auch beim Thema Stipendien gelandet. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass die Heinrich-Böll-Stiftung für mich als einzige Stiftung in Betracht kam. Ich bin in Kreuzberg in einer sehr vielfältigen kosmopolitischen Nachbarschaft groß geworden und die Grundwerte der Stiftung habe ich mein Leben lang als gelebte und sehr wichtige Aspekte angesehen. Obwohl ich mir anfangs keine großen Hoffnungen gemacht habe, bin ich inzwischen sehr glücklich, es doch versucht zu haben!
Wie wirst du durch dein Stipendium gefördert?
Das Stipendium besteht im Wesentlichen aus zwei Kernelementen – einmal die materielle Förderung (die förderwerksübergreifend fast überall gleich ist) und die ideelle Förderung, die ich persönlich als ausgesprochen bereichernd empfinde. Die materielle Förderung umfasst monatlich für alle Stipendiat*innen, unabhängig vom Einkommen der Eltern, eine sogenannte Studienkostenpauschale in Höhe von 300 Euro, dazu kann dann zusätzlich ein Lebenshaltungsstipendium analog zu BAföG ein monatliches Stipendium von bis zu 649 Euro, das aber – anders als BAföG – später nicht zurückgezahlt werden muss. Da die Stiftung Auslandserfahrung besonders fördert, bekommt jeder Stipendiat und jede Stipendiatin, die beispielsweise ein Auslandssemester absolvieren möchte, eine monatliche Auslandspauschale in Höhe von bis zu 250 Euro obendrauf. Auch können Reisekosten, Studiengebühren bis zu 10.000 Euro sowie Sprachkursgebühren übernommen werden.
Die ideelle Förderung ist das eigentliche Herzstück des Stipendiums und bietet ein sehr vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Es gibt viele vom Studienwerk organisierte Veranstaltungen, aber auch immer ein großes Angebot von Arbeitsgruppen zum Thema Gender und Feminismus, Wirtschaftspolitik, Kunst und viele weitere, die von Stipendiat*innen selbst organisiert werden. Auch sogenannte, einmalig stattfindende Adhoc-Gruppentreffen gibt es zu allen erdenklichen Themen. Dazu hat jeder Hochschulstandort eigene lokale Initiativen – Hochschulgruppen – vor Ort, in denen sich die Stipendiat*innen untereinander kennenlernen und zusammen spannende Sachen organisieren können.
Eines meiner Highlights ist definitiv der Campus, die alljährlich stattfindende Sommerakademie der Heinrich-Böll-Stiftung mit über 150 Stipendiat*innen, bei dem es eine Woche in einem wunderschönen Tagungshaus lang super interessante Workshops und Seminare gibt.
Ist die Höhe deines Stipendiums abhängig vom Einkommen deiner Eltern? Was ist, wenn Eltern „zu viel“ verdienen?

Wie oben schon beschrieben, gibt es die Studienkostenpauschale, die jede*r unabhängig vom Einkommen der Eltern erhält. Das an das BAföG angelehnte Lebenshaltungsstipendium ist tatsächlich von den Vermögensverhältnissen der Eltern abhängig – dementsprechend kommt es durchaus vor, dass Stipendiat*innen „nur“ die Studienkostenpauschale erhalten. Die ideelle Förderung ist allerdings davon unberührt; an ihr sollen und können alle teilhaben!

Welche Erwartungen stellt die Heinrich-Böll-Stiftung an dich als Stipendiat?
Auf der einen Seite ist das Stipendium natürlich Ausdruck einer gewissen Leistungserwartung im Studium, dementsprechend sollte man schon gute Leistungen erbringen – allerdings können die Leistungen selbstverständlich auch von persönlichen Lebensumständen beeinflusst werden, dementsprechend wird von niemandem Perfektion erwartet. Abgesehen davon wird eine aktive Teilhabe im ideellen Veranstaltungsprogramm erwünscht, entweder als Teilnehmende oder auch gern als aktiv Gestaltende und Organisierende. Auch außerhalb der Stiftung wird ein aktives ehrenamtliches und gesellschaftliches Engagement erwartet. Einmal im Jahr schreiben wir einen Jahresbericht, in dem wir selbst unser Jahr, unsere akademische als auch unsere persönliche Entwicklung reflektieren.
Was bedeutet es für dich, ein Stipendiat zu sein?
Ein Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung zu haben, bedeutet mir ausgesprochen viel, da es mir nicht nur ein deutlich sorgenfreieres und planbareres Studium ermöglicht, sondern mich auch mit wahnsinnig vielen spannenden und bereichernden Menschen zusammengebracht hat. Die unterschiedlichsten Lebenswege, Visionen und Ideen prallen aufeinander und diesen Austausch mit anderen Stipendiat*innen habe ich immer als größte Bereicherung für mich persönlich gesehen. Stipendiat zu sein hat mich allerdings auch auf die doch sehr privilegierte Situation aufmerksam gemacht, in der Stipendiat*innen sind, und hat bei mir zu einer großen Wertschätzung hierfür geführt. Was genau es für jede*n heißt, Stipendiat*in zu sein, ist natürlich eine sehr individuelle Sache, allerdings ist die Diskussion über stipendiatisches Selbstverständnis immer präsent und auch wichtig!
Welche Ziele verfolgt die Heinrich-Böll-Stiftung?

Die Heinrich-Böll-Stiftung setzt sich in Deutschland und weltweit für Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie, Nachhaltigkeit und Demokratie ein. Sechzehn Landesstiftungen in Deutschland, die Bundesstiftung sowie über 31 Auslandsbüros überall auf der Welt arbeiten eng mit lokalen Initiativen und Aktivist*Innen zusammen, um diese Grundwerte zu stärken und zu verteidigen.

Wie verlief dein Auswahlverfahren bei der Heinrich-Böll-Stiftung? (Dauer/Ablauf/Auswahlgespräche/Herausforderungen)
Das Auswahlverfahren bei der Heinrich-Böll-Stiftung setzt sich aus drei Etappen zusammen und dauert etwa vier Monate. Im ersten Schritt füllt man ein sehr ausführliches Online-Bewerbungsformular aus, was allerdings auch eine spannende Möglichkeit zur Selbstreflektion bietet. Hier werden Fragen zum politischen Selbstverständnis gestellt, allerdings auch zur persönlichen Entwicklung und zu bestimmen gesellschaftlichen Ansichten. Hier solltet ihr auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen haben, wenn ihr die Fragen zusammen mit Freunden und Eltern durchgeht, eine andere Perspektive kann häufig sehr bereichernd und hilfreich sein!
Falls ihr nach diesem schriftlichen Schritt in die nächste Runde gekommen seid, erwartet euch ein ca. einstündiges Gespräch mit einer Vertrauensdozentin oder einem Vertrauensdozenten der Stiftung an den Hochschulen. Hier wird versucht, die Person „hinter“ den schriftlichen Unterlagen kennenzulernen. Das Gespräch findet in einer netten und freundlichen Atmosphäre statt. Gibt es nach dem Gespräch ein positives Votum, werdet ihr in der dritten Etappe nach Berlin zu einem Auswahltag eingeladen.
Die letzte Etappe setzt sich aus einer Gruppendiskussion zusammen, bei der ein aktuell relevantes politisches/gesellschaftliches Thema besprochen wird, sowie einem Einzelgespräch mit einer vierköpfigen Auswahlkommission. Spätestens eine Woche nach dem Auswahltag flattert dann auch schon ein Brief ein, in dem euch mitgeteilt wird, ob ihr in die Förderung aufgenommen worden seid oder nicht.
Auch wenn das alles jetzt erstmal nach einem sehr aufwendigen Verfahren klingt, kann ich euch trotzdem eine Bewerbung nur ans Herz legen!
Ab welchem Schuljahr/Semester kann man sich denn bewerben?
Man kann sich schon vor dem Studienantritt bewerben, spätestens allerdings bis zum 3. Semester. Für inländische Studierende kann man sich auch nur im Bachelor bewerben – allerdings können Stipendiat*innen bis zum Ende vom Masterstudium weitergefördert werden.
Was bedeutet es, wenn gesellschaftliches und politisches Engagement verlangt wird? 

Die Stiftung erwartet von allen Geförderten, dass sie die Werte der Stiftung auf ihre eigene Art und Weise in die Gesellschaft und die Welt tragen. Gesellschaftliches und politisches Engagement kann sich auf vielfältige Art und Weise ausdrücken, von dem Fußballtraining im sozialen Brennpunkt, über das Engagement in Nichtregierungsorganisationen – NGOs –, in politischen Jugendorganisationen oder Parteiarbeit hin zur Arbeit mit Geflüchteten etc.

Wie engagierst du dich?
Während der Schulzeit war ich für zwei Jahre Schulsprecher an meiner Schule, habe ehrenamtlich für eine gemeinnützige Austauschorganisation gearbeitet und bei verschiedenen jugendpolitischen Aktionen in Berlin mitgemacht – allerdings gibt es keine festgelegten Kriterien, anhand derer das Engagement beurteilt wird. Das politische und gesellschaftliche Engagement der Stipendiat*innen kann alle mögliche Formen annehmen und ihr solltet euch von dieser Anforderung auf keinen Fall abschrecken lassen! Wichtig ist, dass ihr euch irgendwo gesellschaftlich engagiert und dass ihr gut begründen könnt, weshalb ihr euch ausgerechnet bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung bewerbt.
Wie sieht deiner Meinung nach eine erfolgreiche Bewerbung aus?
Eine erfolgreiche Bewerbung zeichnet sich meiner Meinung nach durch eine authentische, bewusste und kritische Selbstreflexion aus. Sich über sich selbst, den eigenen Platz in der Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, Gedanken zu machen, ist sehr wichtig und auch für einen selbst sehr bereichernd. Das heißt selbstverständlich nicht, dass man die Weisheit mit Löffeln gegessen haben muss (haben die wenigsten!), aber die grundlegende Einstellung, sich mit der Welt und mit sich selbst auseinandersetzen zu wollen, ist überaus hilfreich.
Ausgesprochen wichtig ist es, dass man mit den Grundwerten der Stiftung übereinstimmt und sich vorstellen kann, diese auch aktiv selbst in die Gesellschaft zu tragen.
Möchtest du Schülerinnen, Schülern und Studierenden – die als Erste in ihrer Familie studieren (wollen) – noch etwas mit auf den Weg geben?
Lasst euch auf keinen Fall von den ganzen Begrifflichkeiten wie „Begabtenförderung“, „Elitenförderung“ etc. abschrecken – eine Bewerbung lohnt sich für die meisten auf jeden Fall und das Schlimmste, was dabei herauskommen kann, ist, dass man sich intensiv mit sich selbst auseinander gesetzt hat. Und es ist definitiv keine Schande, wenn ihr euch bei der Bewerbung helfen lasst und andere Leute um Rat fragt! Auch die Stiftung ist super offen für eventuelle Fragen und ihr könnt euch gern immer mit Fragen an sie wenden.

(Interview: Mai 2018)

 

 

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