Name: Judith Onwuagbaizu
Alter: 21
Studiengang: Rechtswissenschaft
Semester: 6. Hochschulsemester
Universität: Universität Osnabrück
Stiftung: Hans-Böckler-Stiftung
(Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes)
Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei der Hans-Böckler-Stiftung zu bewerben?
Vor meiner Aufnahme in die Stiftung kannte ich keine Stipendiat*innen der Stiftung, aber ich war während meiner Schulzeit Stipendiatin der START-Stiftung. Über sie erfuhr ich, dass es die 13 großen Förderungswerke gibt. Ich habe mich dann während meines letzten Schuljahres über die Förderungswerke informiert und fand die Hans-Böckler-Stiftung sehr ansprechend.
Wie wirst du durch dein Stipendium gefördert?
Ich erhalte den Satz, den ich erhalten würde, wenn ich BAföG bekommen würde, und zusätzlich 300 Euro Studienkostenpauschale. Die Studienkostenpauschale ist zwar zweckgebunden, aber ich kann selbst entscheiden, was ich davon bezahlen will, ich muss damit nicht notwendigerweise Bücher kaufen. Im Gegensatz zum BAföG, bei dem ich die Hälfte der Förderung zurückzahlen müsste, muss ich das Stipendium nicht zurückzahlen.
Zudem unterstützt die Hans-Böckler-Stiftung Auslandaufenthalte, Sprachkurse und unter bestimmten Bedingungen Praktika finanziell. Des Weiteren bietet die Hans-Böckler-Stiftung eine Vielzahl von Seminaren an: Mehrwöchige Sommersprachschulen, Seminare im In- und Ausland, Schlüsselqualifikationsseminare und von Stipendiat*innen organisierte Seminare.
Ist die Höhe deines Stipendiums abhängig vom Einkommen deiner Eltern? Was ist, wenn Eltern „zu viel“ verdienen?
Ja, die Höhe meines Stipendiums ist vom Einkommen meiner Eltern abhängig. Denn meine Eltern sind mir unterhaltspflichtig. Wenn die Eltern „zu viel“ verdienen, so erhält der*die Stipendiat*in nur die Studienkostenpauschale. Es gibt aber unter bestimmten Voraussetzungen auch elternunabhängiges BAföG.
Welche Erwartungen stellt die Hans-Böckler-Stiftung an dich als Stipendiatin?
Der Hans-Böckler-Stiftung ist es wichtig, dass ich mein Studium erfolgreich abschließe. Erst nachdem dieses Ziel sichergestellt ist, legt die Stiftung auch Wert darauf, dass ich mich engagiere.
Die Hans-Böckler-Stiftung verlangt, dass alle Stipendiat*innen an einem Einführungsseminar teilnehmen. Diese ermöglichen es dem*der Stipendiat*in, die Stiftung und die direkte Ansprechperson innerhalb der Stiftung kennenzulernen, Informationen über die Stiftung zu erhalten und Fragen zu stellen.
Ich muss jedes Semester einen Semesterbericht schreiben, in dem ich erläutere, welche Veranstaltungen ich in dem Semester besucht, welche Prüfungen ich abgeschlossen habe und welche Veranstaltungen ich im nächsten Semester besuchen werde. Zudem berichte ich über mein Engagement und meine persönliche Situation.
Was bedeutet es für dich, eine Stipendiatin zu sein?
Ich bin der Hans-Böckler-Stiftung dankbar, dass sie mich seit dem Beginn meines Studiums gefördert hat. Für mich ist das Stipendium zunächst ein stetiger Ansporn, mich weiterhin sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stiftung zu engagieren. Des Weiteren versuche ich, alle Angebote, die die Stiftung fördert, zu nutzen und mich (insbesondere durch das Seminarprogramm) weiterzubilden. Dazu zählt u.a. die Möglichkeit, an der jährlichen Stipendiat*innenkonferenz teilzunehmen, mich in einem stipendiatischen Gremium zu engagieren und selbst Seminare zu organisieren.
Ich nehme regelmäßig an den Treffen der Stipendiat*innengruppe meines Studienorts teil und schreibe Gutachten für die Bewerber*innen. Zugleich haben mich die Stiftung und die Stipendiat*innen, die ich bisher kennenlernen durfte, in Bezug auf gewerkschaftliche Themen sensibilisiert und mir die Bedeutung der Gewerkschaft in unserer Gesellschaft verdeutlicht.
Welche Ziele verfolgt die Hans-Böckler-Stiftung?
Die Hans-Böckler-Stiftung will die gewerkschaftlichen Werte wie Solidarität, Chancengleichheit und Mitbestimmung in die Stipendiat*innenschaft tragen. Diese sollen während und nach ihrer Förderzeit gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und in der Gesellschaft als Multiplikator*innen für diese Werte eintreten.
Zudem möchte die Stiftung die Chancengleichheit in der Ausbildung erhöhen, indem sie ihr Augenmerk darauf legt, auch Menschen aus bildungsfernen Kreisen zu fördern.
Wie verlief dein Auswahlverfahren bei der Hans-Böckler-Stiftung?
(Dauer/ Ablauf/ Auswahlgespräche/ Herausforderungen)
Ich bewarb mich Ende April 2015 bei der Stiftung. Kurz darauf erhielt ich die Bestätigung, dass meine Bewerbung der Stiftung zukam.
Mitte Juni wurde mir mitgeteilt, dass ich in den nächsten Wochen ein Gutachtengespräch mit zwei Stipendiat*innen der Stipendiat*innengruppe und ein weiteres mit einer Vertrauensdozentin führe würde. In dem Brief wurde mir gesagt, dass Mitte September ein Auswahlgespräch stattfinden würde. Jedoch wurde mir zu dem Zeitpunkt der genaue Termin nicht mitgeteilt. Das Gespräch mit den Stipendiat*innen dauerte rund 1 Stunde und 30 Minuten. Sie fragten mich unter anderem nach meinem bisherigen Werdegang, meinem Engagement, meinem Studienwunsch und meiner Motivation hinter dem Engagement und dem Studium. Nach dem Gespräch schickten sie mir das Gutachten ohne ihre Empfehlung, damit ich dieses auf seine inhaltliche Korrektheit überprüfen konnte. Das Gespräch mit der Vertrauensdozentin, einer Professorin an der Universität, war kürzer. Sie fragte mich unter anderem nach meinem Studium, meiner Motivation und der Hans-Böckler-Stiftung. Ihr Gutachten schickte sie direkt an die Stiftung.
Mitte Juli erhielt ich meine Einladung für das Auswahlgespräch in Düsseldorf. Es war sehr früh am Morgen und aufgrund meiner langen Anreise, fuhr ich einen Tag zuvor nach Düsseldorf. Die Reise- und Übernachtungskosten übernahm glücklicherweise die Stiftung. Mein Auswahlgespräch dauerte rund 15 Minuten. Mir saßen, glaube ich, vier bis fünf Menschen gegenüber. Ein Mitarbeiter der Stiftung, der jedoch kein Stimmrecht hatte, eine Stipendiatin, eine Vertrauensdozentin, eine Gewerkschaftsvertreterin und, ich glaube, eine weitere Person, die ich nicht genau zuordnen konnte. Ich war so aufgeregt, dass ich die erste Frage, die mir gestellt wurde, innerhalb von wenigen Sekunden wieder vergessen hatte und noch einmal nachfragen musste. Das Gespräch bestand hauptsächlich aus konkreten Fragen zu Dingen, die bis dahin offen geblieben waren.
In der Woche nach meinem Auswahlgespräch erhielt ich die schriftliche Zusage von der Stiftung.
Die Bewerbungsverfahren wurden 2018 umstrukturiert, sodass mein Verfahren etwas veraltet ist. Seit 2018 werden Bewerbungen ausschließlich online eingereicht. Die Bewerbungsfristen für eine Förderung im Studium enden jeweils zum 1. Februar (für das kommende Wintersemester) bzw. 1. August (für das kommende Sommersemester).
Die Bewerbung wird online mit einem Referenzschreiben eingereicht. Dieses Schreiben kann sowohl von der Gewerkschaft, einem*einer Vertrauensdozent*in, der Stipendiat*innengruppe oder einer anderen Person stammen. Die Stiftung führt danach eine Vorauswahl durch, um herauszufinden, ob die Person grundsätzlich förderfähig ist, also u.a. ob sie einen BAföG-Anspruch hat, aber auch, ob es vom Engagement und der Leistung und den sozialen Kriterien ungefähr passt.
Danach wird der*die Bewerber*in, wenn er*sie nicht zuvor das Referenzschreiben der Stipendiat*innengruppe oder eines*einer Vertrauensdozent*in eingereicht hat, von Stipendiat*innen und einem*einer Vertrauensdozent*in begutachtet. Das Gutachtengespräch verläuft in etwa so, wie ich es oben beschrieben habe. Danach wird die Person nach Düsseldorf geladen, um ein Auswahlgespräch mit der Vertretung der Gewerkschaften, Stipendiat*innen und Vertrauensdozierenden und einem*einer Mitarbeiter*in der Stiftung zu führen. Danach erfolgt die Aufnahme oder die Ablehnung. Bei einer Ablehnung ist eine Wiederbewerbung möglich.
Ab welchem Schuljahr/Semester kann man sich bewerben?
Bewerbungen können vor Studienbeginn eingereicht werden. Bei einer Aufnahme wird das Stipendium aber erst gezahlt, wenn das Studium beginnt. Bewerber*innen können sich nur bewerben, wenn die Regelstudienzeit mindestens drei weitere Semester beträgt. Wenn nach dem Bachelorstudium ein Masterstudium absolviert werden soll, dann werden auch die Semester des Masterstudiums dazu gezählt.
Was bedeutet es, wenn gesellschaftliches und politisches Engagement verlangt wird? Wie engagierst du dich?
Darunter fallen unterschiedliche Dinge. Bei Schüler*innen ist für das schulinterne Engagement insbesondere die Rolle in der Schüler*innenvertretung von Bedeutung. Zudem ist damit das hochschulpolitische Engagement, z.B. AStA, StuRa, Senat, Fachschaft, gemeint. Da die Hans-Böckler-Stiftung eine gewerkschaftsnahe Studienförderung ist, ist auch gewerkschaftliches Engagement wichtig, z.B. in der Jugend- und Auszubildendenvertretung eines Betriebs. Es besteht bei einer Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung die Möglichkeit, sich auch innerhalb der Stiftung und in den stipendiatischen Gremien zu engagieren. Natürlich können sich die Stipendiat*innen (und auch die Bewerber*innen) außerhalb der oben genannten Gruppen engagieren.
Ich engagiere mich derzeit bei der Initiative FreiZeit für Flüchtlingskinder, der Juso-Hochschulgruppe. Ich war zwei Jahre lang auch im BundesKollektiv, der stipendiatischen Vertretung der Stiftung, aktiv.
Ist eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft wichtig?
Du musst kein Gewerkschaftsmitglied sein, um dich bei der Hans-Böckler-Stiftung zu bewerben.
Wie sieht deiner Meinung nach eine erfolgreiche Bewerbung aus?
Für mich ist eine erfolgreiche Bewerbung zunächst eine, die die eigene Person authentisch wiedergibt. Schön ist es auch, wenn der*die Bewerber*in für das, was er*sie tut, Begeisterung empfindet und diese den Gesprächspartner*innen bzw. der Stiftung vermitteln kann. Zudem sollte der*die Bewerber*in sich in einem Mindestmaß engagiert haben.
Möchtest du Schüler*innen und Studierenden – die als Erste in ihrer Familie studieren (wollen) – noch etwas mit auf den Weg geben?
Wenn du wirklich studieren willst, dann findest du sicherlich auch eine Möglichkeit, dir das Studium zu finanzieren. Es mag zwar nicht immer einfach sein, aber ich denke, ein Studium, hinter dem du voll stehst, ist die Anstrengungen und Mühen wert. Probier die Bewerbung um ein Stipendium aus! Mit etwas Glück klappt sie.
(Interview: Juni 2018)