Hanns-Seidel-Stiftung – Interview mit Julia
Name: Julia Kunkel
Alter: 22
Studiengang: Wirtschaftsmathematik Diplom
Semester: 8
Universität: Universität Leipzig
Stiftung: Hanns-Seidel-Stiftung
(Die Stiftung steht der CSU nah.)
Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei der Hanns-Seidel-Stiftung zu bewerben?
Eine Freundin von mir hat sich am Ende unserer Schulzeit für Stipendien beworben. Da habe ich mir gedacht, das wäre auch etwas für mich. Bei meiner Internetrecherche bin ich dann auf die Hanns-Seidel-Stiftung gestoßen und habe mich direkt beworben.
Wie wirst du durch dein Stipendium gefördert?
Die Förderung besteht zum einen aus einer ideellen Weiterbildung in Form von Seminaren. Diese gehen meist über ein Wochenende und beschäftigen sich mit verschiedenen Themen aus allen Fachbereichen. Von Seminaren zu politischen Ordnungsmodellen über Rhetorikschulungen bis hin zu tagesaktuellen Debatten ist für jeden etwas dabei. Der Titel meines letzten Seminars war beispielsweise „Landwirtschaft der Zukunft – wie werden 10 Milliarden satt“. Auch bietet die Stiftung regelmäßig Seminare im Ausland an, die unter den Stipendiat:innen besonders begehrt sind. Für angehende Journalist:innen gibt es außerdem Schulungen zu den Themen Print, Hörfunk und Fernsehen, die eher praktisch angelegt sind.
Zum anderen erhalte ich durch mein Stipendium eine finanzielle Förderung. Diese setzt sich aus einer Studienkostenpauschale von 300 Euro monatlich, sowie meinem individuellen BAföG-Satz zusammen. Beides muss – im Gegensatz zum BAföG – nicht zurückgezahlt werden. Nach Absprache können auch Zuschüsse für Auslandsaufenthalte gewährt werden.
Ist die Höhe deines Stipendiums abhängig vom Einkommen deiner Eltern? Was ist, wenn Eltern „zu viel“ verdienen?
Teilweise. Die Studienkostenpauschale in Höhe von 300 Euro ist elternunabhängig und steht jedem Stipendiaten, jeder Stipendiatin, zu, auch wenn die Eltern „zu viel“ verdienen. Darüber hinaus wird, abhängig vom Einkommen der Unterhaltspflichtigen und dem Ausbildungsstatus der Geschwister, ein Betrag von maximal 992 Euro pro Monat ausgezahlt. Die Richtlinien sind dabei analog zur BAföG-Berechnung. (Die zwölf anderen Begabtenförderungswerke haben übrigens die gleichen Richtlinien).
Welche Erwartungen stellt die Hanns-Seidel-Stiftung an dich als Stipendiatin?
Neben dem Besuch von mindestens zwei Seminaren im Jahr erwartet die Stiftung von mir Engagement im politischen, kirchlichen oder sozialen Bereich. Darüber hinaus sollte man regelmäßig an den Aktivitäten der lokalen Hochschulgruppe teilnehmen. Diese besteht aus allen Hanns-Seidel-Stipendiat:innen, die in der gleichen Stadt studieren. Regelmäßig werden Aktivitäten politischer oder kultureller Art in der Gruppe unternommen, oft auch in Kooperation mit anderen Förderwerken.
Außerdem sollte man im Studium überdurchschnittliche Leistungen erzielen. Das bedeutet aber nicht, dass man immer Einsen schreiben und Jahrgangsbester sein muss. Es geht darum, im eigenen Studiengang und Semester, über alle Prüfungen gesehen, oberhalb des Notendurchschnitts zu liegen; wenn mal eine einzelne Note danebengeht, ist das auch vollkommen o.k.
Am Ende jedes Semesters verfasst man einen Bericht und gibt diesen gemeinsam mit einer Notenübersicht bei der Hanns-Seidel-Stiftung ab. Der Bericht fasst zusammen, welche Veranstaltungen man in der Uni besucht hat, wie man sich inner- und außerhalb der Stiftung engagiert und welche Seminare der ideellen Förderung man besucht hat.
Was bedeutet es, wenn gesellschaftliches und politisches Engagement verlangt wird? Wie engagierst du dich?
Es gibt keine „Vorschriften“, wie man sich engagieren muss. Je nach Interessen und Studienort kann man sich da ganz unterschiedlich einbringen. Hauptsache, man ist regelmäßig aktiv!
Zum Zeitpunkt meiner Bewerbung war ich Jugendtrainerin bei der Wasserwacht, Mitglied im Pfarrgemeinderat meiner Heimatgemeinde und Oberstufensprecherin.
Während meines Bachelors brachte ich mich dann zunächst bei der Unizeitung ein, später war ich in der Fachschaft meiner Fakultät aktiv. Jetzt, im Master, versuche ich mich mehr in der Stadtgestaltung zu engagieren und helfe bei einem Projekt zur Nachbarschaftshilfe mit. Außerdem organisiere ich zurzeit ein Seminar der ideellen Förderung, also auch ein Engagement innerhalb der Stiftung ist möglich.
Was bedeutet es für dich, eine Stipendiatin zu sein?
Ich sehe es als eine einzigartige Möglichkeit, über den Tellerrand hinauszuschauen. Im Studium ist man sehr stark auf einen Fachbereich konzentriert und hat hauptsächlich mit Leuten zu tun, die das Gleiche studieren. Bei den Treffen der Hochschulgruppe und auf den Seminaren lerne ich dann Leute aus ganz anderen Fachbereichen kennen und kann mich mit Themen beschäftigen, die während des Studiums zu kurz kommen. Außerdem habe ich schon oft Einblicke erhalten dürfen, die als Privatperson eher schwierig sind, wie Gesprächsrunden mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern oder Besichtigungen von nicht-öffentlichen Institutionen. Ich bin daher sehr dankbar für das Stipendium, neben der finanziellen Entlastung bietet es mir zahlreiche Möglichkeiten, mich neben dem Studium zu entfalten.
Welche Ziele verfolgt die Hanns-Seidel-Stiftung?
Die Hanns-Seidel-Stiftung verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: Demokratie, Frieden und Entwicklung. Standorte in 55 Ländern ermöglichen ein weltweites Engagement, um diesen Zielen näher zu kommen. Verschiedenste Projekte vor Ort versuchen den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und Probleme „an der Wurzel“ zu packen.
Wie verlief dein Auswahlverfahren bei der Hanns-Seidel-Stiftung?
Zunächst bewirbt man sich schriftlich bei der Stiftung. Die Bewerbung besteht aus einem Motivationsschreiben, einem Lebenslauf, zwei Gutachten (die das Engagement und die fachliche Eignung bescheinigen), dem Abiturzeugnis und den aktuellen Noten. Wird man als geeignet eingestuft, kommt man in die nächste Runde: das Auswahlverfahren.
Mein Auswahlgespräch dauerte einen Tag und fand im Konferenzzentrum in München statt. Vormittags haben alle Bewerber:innen (das waren in diesem Auswahlseminar etwa 50) einen einstündigen Allgemeinwissenstest geschrieben. In diesem wurde nach verschiedenen Dingen gefragt. Zum Beispiel nach Hauptstädten, Flaggen, aktuellen Minister:innen, Bundespräsidenten, Autor:innen, bekannten Persönlichkeiten und noch vielem mehr. Im Laufe des Nachmittags hatte dann jede:r Bewerber:in ein 30-minütiges Einzelgespräch. Drei Juror:innen stellten mir dabei zunächst Fragen zu meinem Lebenslauf und meinem Motivationsschreiben. Ich sollte kurz skizzieren, wie ich mich engagiere, warum ich mich für mein Studium entschieden habe und was ich in den Monaten zwischen dem Abitur und Beginn des Studiums gemacht habe. Anschließend wurden ein paar Sachen des Allgemeinwissenstests nochmal durchgegangen, da ich hier relativ schlecht abgeschnitten habe. Anschließend sollte ich Stellung zu zwei tagesaktuellen, politischen Themen nehmen und es wurde eine kleine Diskussion dazu angeleitet. Darüber hinaus wollten die Prüfer:innen natürlich wissen, warum ich mich ausgerechnet bei der Hanns-Seidel-Stiftung beworben habe.
Mittlerweile gibt es noch eine Gruppendiskussion, in der ein gesellschaftspolitisches Thema herausgearbeitet und diskutiert wird.
Muss man Mitglied in der CSU oder der CSU-Jugend sein, um ein Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung zu bekommen?
Nein, das muss man nicht. Die Hanns-Seidel-Stiftung steht der CSU nahe, ist aber unabhängig von der Partei und eine Parteianhängerschaft wird nicht erwartet. Ich selbst bin auch nicht politisch aktiv.
Wie sieht deiner Meinung nach eine erfolgreiche Bewerbung aus?
Für den schriftlichen Teil finde ich es sehr wichtig, sich zunächst selbst zu reflektieren. Was sind meine Stärken? Wieso engagiere ich mich für eine bestimmte Sache? Warum habe ich diesen Studiengang/-ort gewählt? Wo möchte ich später beruflich und persönlich hin? Weshalb habe ich meinen Lebenslauf bisher in dieser Form gestaltet? Wieso passe ich zu dieser Stiftung? Hat man diese Fragen für sich selbst beantwortet, sollte es nicht mehr allzu schwerfallen, ein Motivationsschreiben zu verfassen, in dem man genau diese Antworten resümiert darlegt.
Bei der Auswahltagung selbst kommt es dann hauptsächlich auf das Auftreten an. Damit man in den Diskussionen inhaltliche Argumente hervorbringen kann, sollte man die Tage vorher auf jeden Fall aktuelle Nachrichten verfolgen. Es geht aber nicht darum, jede Frage zu wissen oder in allen Diskussionen Recht zu behalten. Vielmehr möchten die Prüfer:innen den Charakter der Bewerber:innen kennenlernen und austesten, ob man zur Stiftung passt. Da es hierfür kein richtig oder falsch gibt, sollte man einfach offen und ehrlich auftreten.
Wenn man nervös wird, kann man sich ins Gedächtnis rufen, dass man nichts zu verlieren hat – im schlimmsten Fall hat man ein bisschen mehr über sich selbst gelernt und (erste) Erfahrungen für spätere Bewerbungsgespräche gesammelt.
Möchtest du Schüler:innen und Studierenden, die als Erste in ihrer Familie studieren (wollen), noch etwas mit auf den Weg geben?
Lasst euch nicht von den benötigten Unterlagen für eine Bewerbung abschrecken – die Arbeit lohnt sich und niemand erwartet von euch Unmögliches! Wenn ihr in eurem Studium gut mitkommt und bereit seid, euch darüber hinaus zu engagieren, steht einer Bewerbung nichts im Wege.
Durch ein Stipendium habt ihr die Möglichkeit, Teil eines tollen Netzwerkes zu werden, das euch in vielen Belangen unterstützt, finanziell wie auch persönlich. Da die Hanns-Seidel-Stiftung nicht zu den ganz großen Förderungswerken gehört, herrscht hier außerdem ein sehr familiäres Miteinander. Wenn du also Lust hast, mehr als „nur“ zu studieren, dann zögere nicht, dich für ein Stipendium zu bewerben!
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