Filmtipp: „ALLE REDEN ÜBERS WETTER”
„Ein kluges Gesellschaftsdrama über Heimat und Herkunft“, nennt es die Süddeutsche Zeitung. Wir haben mit Annika Pinske über ihren Film „ALLE REDEN ÜBERS WETTER” gesprochen, der aktuell in den deutschen Kinos läuft.
ArbeiterKind.de: Liebe Annika, kannst du kurz umreißen, worum es in deinem Film geht?
Alles dreht sich in meinem Film um Clara, meine Protagonistin. Clara kommt aus einem kleinen Dorf vom Land und hat den sogenannten Bildungsaufstieg geschafft. Sie promoviert und ist Mutter einer Teenager-Tochter, die bei ihrem Vater lebt. Clara hat eine Affäre mit einem ihrer Studenten und versucht, alle diese Bälle oben zu halten und sich gleichzeitig von ihrer Rolle als Frau und Mutter zu emanzipieren, genauso wie von ihrem Herkunftsmilieu. Das bringt sie letztendlich in eine Krise, weil sich so viele Anforderungen, Wünsche und Interessen gegenüberstehen. Mein Film zeigt, wie sehr uns ein Platz in der Gesellschaft zugewiesen wird, aufgrund des Geschlechts, der sozialen Herkunft usw. und wie schwer es ist, diesen zugewiesenen Platz zu verlassen.
ArbeiterKind.de: Wer oder was hat dich dazu inspiriert, diesen Film zu machen?
Ich wollte eine moderne, komplexe Frauenfigur erzählen, die auch widersprüchlich und unzulänglich sein darf und die nicht immer lächeln muss, um sympathisch zu sein. Es sollte eine Mutter-Tochter-Geschichte werden, weil es immer noch viel zu wenige gibt. Ich selbst hätte gerne mehr Vorbilder gehabt in Büchern/Filmen und in meiner Kindheit, aber da gab es (nach der Wende) nur Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter und sonst wurde es auch schon dünn. Übrig blieben unzählige Prinzessinnen, die mich aber nicht interessierten. Ich würde sagen, ich habe eine Art Verantwortung gefühlt, meinem Geschlecht und auch meiner Herkunft gegenüber, als Arbeiterkind aus dem DDR-Plattenbau.
ArbeiterKind.de: Welche Szene ist dir am meisten im Gedächtnis geblieben und warum?
Das ist eine Frage, die ihr den Zuschauer:innen stellen müsstet. Ich kann den kompletten Film mitsprechen – jede einzelne Geste ist mir im Gedächtnis. Ich habe den Film ja geschrieben, inszeniert und dann zusammen mit meiner Cutterin über ein Jahr geschnitten.
ArbeiterKind.de: Du bist die Erste in deiner Familie, die studiert hat. Was macht deinen eigenen Bildungsweg so besonders?
Das er sehr lang war... Haha! Nein, im Ernst. Besonders ist, dass ich einfach sehr viel Glück hatte und die richtigen Leute zur richtigen Zeit getroffen habe. Diese Gerede vom „jeder kann es schaffen“, ist einfach gelogen. „Jeder könnte es schaffen“, das ist richtig, aber wer strukturell benachteiligt ist, hat es einfach viel schwerer und braucht mehr Zeit, die richtigen Unterstützer:innen, extrem viel Glück und er/sie wird sehr lange in prekären Verhältnissen leben müssen, um einen „Bildungsaufstieg“ zu schaffen. Das ist leider immer noch Realität.
ArbeiterKind.de: Wie offen ist die Filmbranche für Menschen aus nichtakademischen Familien? Wie schätzt du das ein?
Ich kann nicht wirklich für die Filmbranche sprechen. Ich hatte zum einen das Glück, dass ich auf der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) aufgenommen wurde, die schon in den 60er Jahren Frauen zu Filmemacherinnen ausgebildet hat. Damals war das überhaupt noch nicht üblich. Auch heute nimmt die DFFB viele Studierende aus den unterschiedlichsten Milieus und Herkunftsländern auf. Damals habe ich auch meine beiden Produzentinnen Luise Hauschild und Mariam Shatberashvili kennengelernt. Zum anderen hatte ich das große Glück als Praktikantin bei der Produktionsgesellschaft „Komplizen Film“ zu landen. Das war mein erster Kontakt in die Branche, eine Filmproduktionsfirma, die damals von zwei Frauen (Maren Ade und Janine Jackowski) geführt wurde. Dort hatte ich weibliche Vorbilder und zwei Unterstützerinnen, die ihre Firma nicht ausschließlich nach kommerziellen Erfolgen ausgerichtet haben, sondern immer auch geschaut haben, dass es menschlich stimmt, dass es fair ist, die extrem transparent in ihrer Kommunikation sind und unfassbar großzügig sind mit ihrer Zeit und ihrem Wissen. Maren und Janine haben wirklich Interesse daran gehabt, Nachwuchs zu fördern, egal aus welchem Herkunfts-Milieu.
Film-Trailer und alle weiteren Infos unter: https://grandfilm.de/alle-reden-uebers-wetter/